Prozesskosten können Werbungskosten sein
An bestimmte Berufsgruppen, wie Ärzte, Steuerberater, aber auch Soldaten werden erhöhte Anforderungen nicht nur an die fachliche Kompetenz, sondern auch an die persönliche Integrität gestellt. Daher haben diese neben den allgemeingültigen Gesetzen auch noch besondere Berufsordnungen oder Dienstanweisungen zu beachten. So ist beispielsweise einem Arzt keine Approbation zu erteilen bzw. kann eine erteile Approbation wieder entzogen werden, wenn sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
Verfehlungen können somit nicht nur strafrechtliche Folgen haben, sondern auch Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit, selbst wenn der Verstoß in der Freizeit oder im privaten Bereich erfolgte. So war es auch im vorliegenden Fall, bei dem der Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Januar 2024 (VI R 6/21) entscheiden musste, ob die aufgrund eines Wehrdisziplinarverfahrens bei einem Soldaten angefallenen Prozesskosten Werbungskosten für die nichtselbständige Tätigkeit darstellen.
Strafverfahren und zusätzliches gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren
Der Soldat hatte auf einer Social-Media-Plattform einen strafrechtlich relevanten Kommentar veröffentlicht. Er wurde wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig gesprochen. Neben diesem Strafverfahren wurde gegen ihn ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren von seinem Arbeitgeber eröffnet. Dieses beinhaltete den Kommentar, der im Strafverfahren behandelt wurde, aber auch noch weitere Disziplinarvergehen.
In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Soldat, die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren als Werbungskosten abzuziehen. Das Finanzamt verweigerte den Abzug mit der Begründung, dass die Kosten nicht beruflich veranlasst seien, da das strafbare Verhalten außerhalb der beruflichen Tätigkeit erfolgt sei.
Rechtsanwaltskosten für Wehrdisziplinarverfahren können Werbungskosten sein
Das Finanzgericht hingegen gab dem Soldaten Recht und auch der BFH folgte dessen Urteil. Aufwendungen sind als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, sind nicht ohne Weiteres der privaten Lebensführung zuzuordnen. Denn für die Besteuerung ist unerheblich, ob ein steuerlich relevantes Verhalten gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.
Strafprozesskosten und Arbeitsgerichtskosten sind nicht gleichzusetzen
Bei zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten besteht in der Regel bereits ein Zusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Streitigkeit das Arbeitsverhältnis betrifft. Anders bei den durch einen Strafprozess verursachten Kosten. Bei diesen setzt die Abziehbarkeit als Werbungskosten voraus, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Tat in Ausübung der Berufstätigkeit begangen worden ist.
Im konkreten Fall ergab sich ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zu der Tätigkeit als Berufssoldat schon daraus, dass Gegenstand des Verfahrens die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ist, die sich auf das Dienstverhältnis und das berufliche Fortkommen auswirken. Die Kosten eines Soldaten für seine Verteidigung in einem solchen Wehrdisziplinarverfahren haben mithin den Zweck, entweder schon die Feststellung eines Dienstvergehens zu verhindern und/oder jedenfalls die Verhängung einer, sich auf das berufliche Fortkommen bzw. die Höhe der Bezüge auswirkenden, Disziplinarmaßnahme ganz oder teilweise abzuwenden. Hieran ändert sich nichts, falls ein außerdienstliches Verhalten Anlass für das Wehrdisziplinarverfahren war.
Im Streitfall dienten die Aufwendungen unmittelbar der Erhaltung der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis. Denn sämtliche in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen (Kürzung der Dienstbezüge, Beförderungsverbot, Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem Dienstverhältnis) hätten bei ihrer Verhängung die Einkünfte des Soldaten aus seinem Dienstverhältnis gemindert.
Fazit
Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit besteht nur ausnahmsweise dann, wenn dem Steuerpflichtigen eine Tat zur Last gelegt wird, die er in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat. Dies ist bei Verfahren anders, bei dem sich die Disziplinarmaßnahme auf den besonderen Rechts- und Pflichtenstatus der Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes bezieht. In diesen Verfahren wird ein Verhalten allein daraufhin überprüft, ob sich aus ihm eine ungerechtfertigte und schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten ergibt.
Die damit in Zusammenhang stehenden Rechts- und Prozesskosten sind als Werbungskosten abzugsfähig. Dies betrifft nicht nur Wehrdisziplinarverfahren bei Berufssoldaten, sondern auch berufsrechtliche Verfahren bei anderen Berufsgruppen, wie Ärzten, Zahnärzten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern.